1965 - 2015 : 50 Jahre ASG

50 Jahre ASG

Vorwort des Schulleiters

Geleitwort des Freundeskreises

1. Aus den Fachschaften

1.1 Deutsch
1.2 Englisch
1.3 Französisch
1.4 Geographie
1.5 Geschichte
1.6 Informatik
1.7 Latein
1.8 Mathematik
1.9 Religion
1.10 Sport
1.11 Wirtschaft und Recht

2. "Ehrfurcht vor dem Leben"

3. Fünf Jahrzehnte ASG

3.1 1965 - 1970 : Ära Koehler
  3.1.1 Schulgründung 1965
  3.1.2 Namensgebung 1965
  3.1.3 Schülerzahlen 1965-75
  3.1.4 Der Schulhausbau 1968-69
  3.1.5 Konfliktjahre 1969-70
3.2 1970 - 1981 : Ära Fuchs
  3.2.1 Das ASG unter neuer Leitung
  3.2.2 Raum- und Personalnöte
  3.2.3 Erstes Abitur und 5-Tage-Woche
  3.2.4 10 Jahre ASG aus Sicht der Schulleitung
  3.2.5 Die Jahre 1975-81
3.3 1981 - 1995 : Ära Möhrlein
  3.3.1 Fliegender Wechsel in der Schulleitung
  3.3.2 Erweiterung der Schule
  3.3.3 Vielfältige Aktivitäten
  3.3.4 Die SMV wird aktiv
  3.3.5 Pädagogische Initiativen
  3.3.6 Soziales Engagement
  3.3.7 Elternbeirat und Freundeskreis
  3.3.8 Kontakte zu anderen Schulen
  3.3.9 Resümee
3.4 1995 - 2006 : Ära Fiedler
  3.4.1 ... Sich öffnen für Neues
  3.4.2 Kunst – innen und außen
  3.4.3 Moderne Technik
  3.4.4 Mensa und offene Ganztagsschule
  3.4.5 ASG im Netz
  3.4.6 Strukturelle Reformen am ASG
  3.4.7 Ansätze zur inneren Schulreform
  3.4.8 Zwei blinde Schülerinnen machen Abitur
  3.4.9 Außerunterrichtliche Aktivitäten
  3.4.10 SMV, Elternbeirat und Freundeskreis
  3.4.11 Resümee
3.5 2006 - 2016 : Das letzte Jahrzehnt
  3.5.1 Die Sanierung
  3.5.2 Runderneuerung der Schulleitung
  3.5.3 Externe Evaluation und Schulentwicklung
  3.5.4 G8, neue Oberstufe und Doppelabitur
  3.5.5 ASG international
  3.5.6 ASG digital
  3.5.7 Entwicklung der Schülerschaft
  3.5.8 Erziehungspartnerschaft
  3.5.9 Offene Ganztagsschule

4. Schulische Traditionen

5. Albert Schweitzer für das ASG

Französisch


Schüleraustausch mit Rennes: Am Mont St-Michel

Unterricht für Herz und Verstand

Jubiläen laden dazu ein, in die Vergangenheit zu blicken und fordern auf, sich mit Perspektiven auseinanderzusetzen. Im Konzert der unterschiedlichen Disziplinen, in deren Geheimnisse das Gymnasium seine Schützlinge einweiht, stehen einzelne Fächer oft in subjektiver Konkurrenz zueinander. Dazu kommt, dass einige Eleven trotz ihres Bemühens manche Rückschläge hinnehmen müssen, was mitunter zur Folge hat, dass der Sinn des Ganzen hinterfragt wird: Wozu also soll man Französisch lernen? Welche Steinchen setzt unsere Fremdsprache seit 50 Jahren in das Mosaik unseres ASG?

Antworten ließen sich schnell in Statistiken und politischen wie wirtschaftlichen Bekundungen, den „harten“ Faktoren, finden. Da diese leicht aufzuspüren sind, soll an dieser Stelle auf die anderen, die „weichen“ Faktoren, eingegangen werden, die auf Grundlage von wachsender Wortschatz- und Grammatik-
beherrschung über landeskundliche und literarische Inhalte transportiert werden. Sie sind es, die dafür Sorge tragen, dass über die bloße Wissensvermittlung hinaus die Persönlichkeitsbildung unserer Schüler in den Blickpunkt gerückt wird. In Artikel 131 der Bayerischen Verfassung erhalten wir mitunter den folgenden Auftrag:

„Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden. Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt. Die Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen.“  (Art. 131 Abs. 1 mit 3)

Nun soll exemplarisch auf einige der hier genannten Bildungsziele eingegangen werden.

In diesem Jahr erfährt unser Schüleraustausch mit einem Lycée in Rennes in der Bretagne, seit vielen Jahren das Lycée Jean Macé, seine 46. Auflage. Damit pflegen wir sicherlich eine der ältesten Schulpartnerschaften zwischen Deutschland und Frankreich, die auf dem Élysée-Vertrag von 1963 basieren, durch den die Aussöhnung der ehemaligen „Erzfeinde“ politisch zementiert wurde.

Seit 2012 unterhalten wir einen weiteren Austausch mit dem Collège Simon Wiesenthal in Saint-Vallier-de-Thiey in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur.

Fern der Dompfaffstraße und fern ihrer Schulbücher konnten mittlerweile über 1000 ASGler in das echte Leben unserer Nachbarn eintauchen, deren Alltag miterleben und erkennen, dass sie in der heimischen Nestwärme nicht alleine für Zensuren, sondern bestimmt auch zur Bereicherung ihrer Lebensqualität über ihren Französischtexten brüteten, bevor sie richtig flügge wurden.

Was wurde alles an Gastgeschenken über den Rhein transportiert: Meerrettich, Fränkischer Wein, Lebkuchen in großen Mengen. Die Gepäckstücke auf der Rückreise waren augenscheinlich leerer und leichter, wenngleich sie doch viel voller als bei Antritt der Reise waren. Darin waren gut verstaut die imposante Kulisse des Mont St Michel, die salzige Luft an den Küsten der Bretagne und der Côte d’Azur, der Geschmack von Crêpes und Galettes, von Austern, Macarons und Olivenpastete, die Parfums aus Grasse, oder die Düfte der Lavendelfelder der Provence. Im Gepäck war auch neue Musik, andere Umgangsformen und die Gewissheit, dass man sich in einer nahezu fremden Kultur zurechtgefunden und die Tücken der Fremdsprache noch besser gemeistert hat. Das größte Gepäckstück jedoch war immer die erlebte Gastfreundschaft und der Abschiedsschmerz von Leuten, die man noch vor kurzer Zeit überhaupt nicht kannte. Auf der Skala einer Waage mag unser Gepäck auf dem Rückweg wirklich leicht sein…

Antoine de St-Exupéry lässt uns in seinem Meisterwerk „Le Petit Prince“ wissen, dass das Wesentliche für die Augen unsichtbar ist und dass man nur mit dem Herzen gut sieht. „L’essentiel est invisible pour les yeux. On ne voit bien qu’avec le cœur.“

Wie es zu Tränen beim Abschied kommt, erklärt uns mit dem Fuchs einer der Protagonisten des Kleinen Prinzen, als er sinngemäß wie folgt argumentiert: Wenn wir auf eine große anonyme Menschenmenge treffen, sind wir den einzelnen Personen gegenüber zunächst gleichgültig eingestellt. Wir kennen ja niemanden. Um eine einzelne Person aus dieser Anonymität zu lösen, um eine Verbindung herzustellen, wie es der Fuchs nennt, müssen wir sie mehrmals treffen. Wir müssen viel Zeit zusammen verbringen und uns schrittweise annähern. Wir müssen auch die Freuden, Ängste und Nöte unseres Gegenübers kennenlernen. All dies bewirkt, dass die Person, zu der wir sodann diese Verbindung aufgebaut haben, aus der unbekannten, formlosen, Menge herausragt. Wenn wir später z. B. bestimmte Farben sehen, assoziieren wir sie mit dieser Person und wir sind ihr nahe, sollte uns auch eine große räumliche Distanz trennen. Wenn wir ihren Tagesablauf und ihre Gewohnheiten kennen, können wir uns dieser Person auch in Abwesenheit zu bestimmten Zeitpunkten wieder nahe fühlen, da wir doch wissen, was sie gerade unternimmt.

Im Augenblick des Abschieds wird einem die entstandene Nähe spürbar bewusst und der bevorstehende Verlust der nun vertrauten Person macht sich schmerzlich bemerkbar - manche Tränen können nicht zurückgehalten werden.

Genau diesen Rahmen stellen wir mit unseren Austauschprogrammen her: Die Schüler treffen auf Fremde und müssen ihnen auch noch in einer Fremdsprache begegnen. Sie wohnen mit ihnen unter einem Dach, verbringen viel Zeit miteinander, lernen sich auf Ausflügen und im gemeinsamen Unterricht vielfältig kennen und in jeder Hinsicht besser verstehen. Aus einer Fremdsprache wird eine Freundsprache - Unbekanntes, das fremdartig und deshalb vielleicht sogar distanziert betrachtet wurde, wird geschätzt und verinnerlicht. Bekanntes kann durch die Außenperspektive aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden.

Solche Verbindungen können nur hergestellt werden, wenn wir zunächst über das nötige sprachliche Rüstzeug verfügen. Wenn wir dann auch noch die metaphorische Sprache eines vermeintlichen Kinderbuches richtig zu deuten lernen, können wir derartige Begegnungen philosophisch abstrahiert einordnen und dadurch selbsreflektiert reifen. Dazu gesellt sich der ästhetische Genuss, einen Autor von Weltrang im Original lesen zu können.

Somit trägt die Vermittlung des Französischen am Albert-Schweitzer-Gymnasium seit nunmehr 50 Jahren dazu bei, dass Generationen von Schülern die Möglichkeit haben, ihre westlichen Nachbarn als Freunde, nicht als Fremde, wahrnehmen zu können. In Anbetracht der schwierigen aktuellen weltpolitischen Situation und der bisher geleisteten Vorarbeit ist das Potenzial, das die Vermittlung des Französischen in sich birgt, Ansporn und Auftrag zugleich.

Damit handeln wir bestimmt im Sinne unseres Namenspatrons, der uns den Aphorismus

Le bonheur est la seule chose qui double si on le partage

(Glück allein vermehrt sich, wenn man es teilt) mit auf den Weg gibt.


StD Christian Jechnerer
Fachbetreuer Französisch